Richtfest des "neuen" Wintersteinturms am 1. Mai 2005
Beim ersten Bergfest auf dem Winterstein vor genau einem Jahr schüttete es den lieben langen Tag wie aus Kübeln. Diesmal gab es Sonne satt und beim kombinierten Berg‑/Richtfest mit geschätzten 3000 Wanderern und Radlern ungefähr viermal so viele Besucher. Trotz des nicht enden wollenden Ansturms aus allen Gemeinden rund um den Winterstein herrschte in luftiger Höhe Freude und Entspannung pur. Stellvertretend für die »Wintersteinfreunde« erklärte Ober-Mörlens Bürgermeister Sigbert Steffens gestern nach dem ersten Kassensturz, dass die Resonanz auch finanziell derart riesig gewesen sei, dass man voraussichtlich mit mehr als 3000 Euro Gewinn rechnen könne. Mit dem Ausbau des derzeit eingerüsteten Turmgerippes und seiner Fertigstellung könne alsbald begonnen werden.
In Zelten, unter grünem Blätterdach, auf dem sonnigen Schotter-Hochplateau und den Felsen zu Füßen des Turms genossen Klein und Groß die frühsommerliche Wohlfühlatmosphäre ohne Remmidemmi und Radau. Tief beeindruckt äußerten sich alle nach ihrem mehr oder weniger gemächlichen Aufstieg per pedes oder Rad über das imposante Holzbauwerk. Stille Vorfreude machte sich breit auf den Ausblick über Wetterau, Vogelsberg, Westerwald und bis zur Frankfurter Skyline. Aber auch das erhabene Gefühl am oberen Ende des Hanges in Baumwipfel- und Felsnasennähe tat seine Wirkung.
Genüsslich wurden 1100 Grillwürstchen, Turmbrot und Brezeln gekaut, jede Menge Eintopf gelöffelt, und Kuchen wurde sogar frisch nach gebacken. Kühle Getränke gingen angesichts der Hitze weg wie warme Semmeln, und in der MCC-Weinlaube floss der Rebensaft in eigens gravierte Turmgläser.
Den Part der Turmbläser hatten der »Trompeter vom Philippseck«, Walter Müller, und der Langenhainer Alphornbläser Edmund Schneider übernommen. Ihre Drehorgel hatte Inge Rack aus Nieder-Mörlen mitgebracht, und für angenehme Marscherleichterung sorgte der Pendelbusverkehr der Ober-Mörler Feuerwehr Turmscheiben, Sticker und Weingläser fanden derart reißenden Absatz, dass Restexemplare erst bei der Turmeinweihung veräußert werden.
»Liebe Wintersteiner und Wintersteinerinnen«, begrüßte Sigbert Steffens die Feiergemeinde, »heute können Sie sich selbst Applaus spenden«. Dass der Turm nach nur 15 Monaten fast fertig sein würde, habe niemand geglaubt. »Dieser Bürgerturm ist einmalig in unserer Republik«, führte Steffens vor Augen, dass der neue Wintersteinturm im Wert von rund 130 000 Euro komplett durch Spenden finanziert wurde. »Hier kann sich jeder als Eigentümer fühlen«, freute sich Steffens auch, dass so eine gewisse Sozialkontrolle zum Schutz des Bauwerks gewährleistet sei. Friedbergs Erster Stadtrat Michael, Keller sagte: »Ich bin überwältigt! Wie klein man sich doch neben diesem Turm fühlt«. Auf dem Winterstein werde der Blick geweitet und die Gemeindegrenzen verwischten.
Architekt Hermann Ludorf dankte allen Spendern und all jenen, die ihr bestes gegeben hätten: ihre Freizeit. Besonderer Dank gelte seinem Freund Rudolf Rack, der auf einzigartig Weise mit dem Winterstein verwachsen sei Der technische Bauleiter und Lokalhistoriker Rack konnte denn auch alle Details des 16,73 Meter hohen Bauwerks erläutern: 85 Festmeter Douglasienholz wurden geschlagen und bei 400 Bar abgestrahlt. Für den Innenausbau wurden laut Rack 626 Bretter in einer Gesamtlänge von 2396 Metern geschnitten, 190 Tonnen (oder zwei Eisenbahnwaggons voll) Schotter auf Wege und Plateau aufgebracht, 12 Kubikmeter Beton für die Fundamente gegossen und bis zu vier Meter lange Stahlanker in die Erde gesenkt.
Mucksmäuschenstill wurde es, als Zimmermeister Reinhard Ploner auf das geschmückte Turmgerüst kletterte und mit seinem Richtspruch (Wortlaut in Teil 2) das eindruckvolle Bauwerk auch segnete ‑ bewegende Momente in einer bewegten Turmgeschichte.
Richtspruch von Zimmermeister Reinhard Ploner:
Mit Gunst und Verlaub
Hier steht gar herrlich anzusehn
der Bauherr wird es gern gestehn
der Neue Turm stolz aufgerichtet.
Freudig tat ein jeder seine Pflicht
der an dem Turm mit tätig war
man scheute Mühe nicht, noch die Gefahr.
Auf starken Fundamenten, festen Grund
das Turmgespärr blickt in die Rund
in seines Holzwerks voller Pracht
recht als ein Meisterwerk gemacht
damit für lange Zeit zu aller Freud'
dem Menschen biete Sicht ganz weit.
Gesegnet sei der Turm, der Neue
das jed' Besteiger sich erfreue
und die da gehen auf und ab
den Spendern und auch dem Verein
möge Leid stets ersparet sein.
Hoch !
Und alle die da unten stehn
wünsch' Glück ich und viel Wohlergehn.
Hoch !
Der letzte Schluck er gilt der Ehre
dem Handwerk dem ich angehöre.
Hoch !
Das Glas zersplittere im Grunde
geweiht sei dieser Turm zur Stunde.